Dr. Fritz von Mannstein
Uni-Magazin Mannheim
1. Vom Repetitor zum Dozenten an der Universität – ein eher ungewöhnlicher Weg. Wie ist es zu dem Lehrauftrag an der Universität Mannheim gekommen?
So ungewöhnlich ist das nicht. Ich war bereits von 1974 bis 1980 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Mainz tätig. Danach war ich 25 Jahre als verlorenes Schaf zwischen Mars und Venus unterwegs. Jetzt bin ich als blinder Passagier mit dem Raumschiff „Enterprise“ im Ehrenhof des Schlosses sicher gelandet.
Im Ernst: Ich wollte nach dem Ende meiner Tätigkeit zur Vorbereitung auf das erste und das zweite Staatsexamen im Februar 2007 nach Amerika gehen und meine Tätigkeit an einer amerikanischen Uni fortsetzen. Go west, old man!
Professor Dr. Arndt und Professor Dr. Burkhardt haben mich überzeugt: Bleibe im Lande und nähre Dich redlich. Und dann hat der Hund von Professor Dr. Burkhardt auch noch den auf dem Tisch liegenden Lebens-Lauf aus meinem früheren Leben gefressen. Da blieb mir gar nichts anderes mehr übrig, als an der Uni Mannheim ein neues Leben zu beginnen. Und deshalb erscheine ich jetzt in den heiligen Hallen des Schlosses als „Fritzi – das Schloß-Gespenst“.
2. Wie haben die Professoren auf ihre Lehrtätigkeit reagiert? Sehen Sie in Ihrer Tätigkeit eine Signalwirkung?
Professoren sind Individualisten. Sie müssen also jeden einzelnen fragen. Jedenfalls ist das Abendland nicht untergegangen. Das Schloß steht nicht in Flammen. Und die Verbrennung von Savonarola auf dem Marktplatz von Florenz liegt auch schon mehr als 500 Jahre zurück.
Im Ernst: Das Spannungsverhältnis zwischen Professoren und Repetitoren, das Sie in Münster erlebt haben, gibt es hier nicht. Viele Professoren haben immer gute Repetitorien empfohlen. Ich habe immer meine Kursteilnehmer nach dem Besuch des Repetitoriums in die Uni zurück geschickt, um gute Veranstaltungen zu besuchen. Während der vergangenen 25 Jahre sind viele Assistenten der Uni Mannheim vorher in meinen Kursen gewesen.
Zu Ihrer zweiten Frage: Die Uni Mannheim setzt ein sehr engagiertes Reformkonzept um. Quae mutatio rerum! Alles fließt. Das ist Klasse. Da bin ich genau richtig. Da gibt es viel zu tun. Also mit den preußischen Husaren von Friedrich Hebbel: Bassa-Terremm-Temm-Temm!
3. Wie haben Ihre Kollegen aus den Repetitorien Ihre aktuelle Tätigkeit aufgenommen, mit der Sie jetzt den Repetitorien quasi Konkurrenz machen?
Sie sehen das bestimmt locker: Konkurrenz belebt das Geschäft und erhöht den Blutdruck. Das sorgt für die nötige Spannung. Und außerdem: Eine Schwalbe macht noch keinen Frühling! Wenn der Wind des Wandels weht, kann man Mauern einrichten oder Windmühlen bauen. Die Uni Mannheim hat sich mit ihrem äußerst engagierten Reform-Konzept für den Bau von Windmühlen entschieden. Das ist super. Da möchte ich auch zu „frischem Wind“ beitragen.
4. Sehen Sie Unterschiede zwischen der Lehrtätigkeit an der Universität und der als Repetitor?
Ich bin überzeugt: Das Konzept, das ich mehr als 25 Jahre lang als Repetitor erfolgreich umgesetzt habe, wird sich auch an der Universität durchsetzen. Die Vorbereitung auf das erste Staatsexamen muß nun einmal hart und intensiv sein. Daran führt kein Weg vorbei. Mit einem Kuschelkurs ist zwar der Hörsaal voll – aber das Staatsexamen nicht zu schaffen. Also: Beware of old men. They have nothing to lose.
Die Unterschiede zwischen dem Repetitorium und der Universität sind gewaltig. Ein Repetitorium muß hochgradig effizient arbeiten, über eine minimale Verwaltung verfügen und in jeder Beziehung unbürokratisch arbeiten. Es ist ein Wirtschafts-Betrieb. Es gibt keine „Semester-Ferien“.
In der Universität ist im Hinblick auf Art 5 Abs 3 GG alles anders. Die bürokratischen Strukturen sind für jeden schwierig, der in der Universität arbeitet. In der Weite des Universums kann jeder in einem schwarzen Loch versinken oder mit dem Raumschiff „Enterprise“ zwischen Mars und Venus verglühen. Selbst einem alten Space-Cowboy, wie ich es bin, kann das leicht passieren.
Die Hörer im Repetitorium sind entschlossene Kämpfer. Sie wissen: Jetzt gilts. Jeder tritt an, wenige fehlen. Jeder quält sich – im Rahmen seiner Möglichkeiten. Ein Jahr später ist der Freischuß. Dann kommt die Notenverbesserung. Die Botschaft ist klar.
Bei zu vielen Studenten an der Universität ist alles anders: Come and go. Komm ich heut nicht – komm ich morgen. Was Du heute kannst besorgen, verschiebe doch auf morgen. Der Kranken-Stand der Kursteilnehmer ist beträchtlich. Und wenn es hart wird, überlegen sich manche insgeheim, ob es nicht doch noch möglich ist, an der Pädagogischen Hochschule ein neues Leben zu beginnen. Glück auf!
Und was viele noch nicht wissen: Auch der Repetitor ist keine Eier-legende-Woll-Milch-Sau! Er ist nicht Jesus-Christ-Super-Star. He is just a man!
5. Wie haben Sie sich als Student auf Ihr erstes Examen vorbereitet?
Weder mit dem Repetitorium noch mit der Universität. Ich habe mich vor die Wand gesetzt, den Kühlschrank leer gefressen und Jura gelernt. Aus den Augen kam das Feuer, aus den Ohren der Qualm. Lichterloh brennen, war das Motto.
6. Was müsste sich an der universitären Ausbildung Ihrer Ansicht nach ändern, damit Jurastudenten zur Examensvorbereitung nicht mehr zum Repetitorium gehen?
Vieles. Jeder weiß das. In Amerika heißt es: Talk ist cheap – Action speaks. Bei uns würde man eher sagen: Der Worte sind genug gewechselt, laßt mich nun Taten sehen. Während Ihr nur Worte drechselt, kann etwas Nützliches geschehen.
7. Was macht Ihnen an Ihrer Tätigkeit besonders viel Freude?
Am Anfang des Jahres 2008 habe ich eine wissenschaftliche Arbeit mit 450 Seiten und mehr als zweitausend Fußnoten beendet. Im Vorwort dieser Arbeit steht mein Bekenntnis:
„Am Ende meines beruflichen Lebens habe ich mich noch einmal auf den Weg gemacht, eine wissenschaftliche Arbeit zu schreiben. 35 Jahre hatte ich das unvorstellbare Glück, meinen Beruf als Repetitor voller Tatkraft und mit großer Begeisterung auszuüben. Es ist und bleibt der „Traumberuf dieser Erde“, und meine Hörer werden es bestätigen.
Deshalb ist diese Arbeit allen Hörern gewidmet, die seit 1974 an meinen Kursen zur Vorbereitung auf das erste und das zweite juristische Staatsexamen teilgenommen haben. Es war eine außerordentliche Freude, mit Euch zusammenzuarbeiten, und über Euren Erfolg habe ich mich riesig gefreut. Euch allen möchte ich von ganzem Herzen danken.“
8. Was möchten Sie den Studenten noch mit auf den Weg geben?
Schaffen, Machen, Tun! Mit Schillers Wallenstein: „Nacht muß es sein, wenn Friedlands Sterne strahlen.“ Sie sollen die CD der Rolling Stones auflegen: Start me up.
Und für mich heißt es auch: Stay tuned - Keep swinging – Rock on and on.
Mit Status Quo: The party ain’t over yet!
Für uns alle: Der Mythos von Sisyphos - Keep the ball rolling.
Also mit Jack Kerouac und Canned Heat: On the road again. Fritzi is back in town.
Vielen Dank für das Interview!
Antonietta Rubino